HSG Marburg/Cappel – HSG Nordeck-W./All./Lon. II 28:15 (13:10)
Angriffsqualität kehrt schlagkräftig zurück!
Nachdem man dem Marburger Angriff in der letzten Woche eindeutig nur ein „ungenügend“ attestieren konnte, waren die Trainingsinhalte der vergangenen Woche schnell abgesteckt. Montags zwei Stunden „Abwehr knacken“, Mittwochs Stationsarbeit zu „Tore, Tore, Tore“ und Freitags musste dringend an den Spielzügen geschraubt werden. Dieser in der Sportpädagogik als „Einschleifen“ verschriene Prozess, zeigte jedoch am vergangene Wochenende seine Notwendigkeit an Hand der daraus resultierenden Torausbeute…
Wer jedoch glaubte, dass der deutliche Sieg gegen Nordeck, die zu diesem Zeitpunkt auf Tabellenplatz 8 angesiedelt waren, auf den Faktor Erster gegen Achter abgewälzt werden könne, irrte sich gewaltig. Noch im Hinspiel erfuhr man deutlich die Gefährlichkeit Nordecks, als die Hinrundenpartie nur knapp mit 22:21 gewonnen werden konnte. Eine junge Truppe mit enormen Gefahrenpotenzial wurde daher in heimischer Halle erwartet. Auf den Punkt brachte es Johanna vor dem Spiel mit ihrer Motivationsansprache und stachelte die Mannschaft noch einmal positiv an (siehe unten).
Während in den vergangenen Spielen vor allem die Abwehr durch eine herausragende Arbeit hervorstach, sollte diese Leistung am vergangenen Spieltag zusätzlich durch einen enorm torhungrigen Angriff ergänzt werden. Während der erste Angriff Nordecks nach zwei Spielminuten und ohne das Anzeigen von Zeitspiel neutralisiert werden konnte, startete die Marburger Offensive. In der 6. Spielminute führte Marburg bereits mit 4:0. Dies ermöglichte vor allem auch die Manndeckung gegen Jenny, wodurch die großen Lücken ausgehend vom guten Stoßen in die Abwehr, regelrecht zum Tore werfen zwangen. Nordeck verkürzte dann in der 7. Spielminute auf 4:1 und war drei Minuten später erfolgte das Anschlusstor zum 4:2.
Dabei waren es vor allem die in der ersten Halbzeit gut aufgelegten gegnerischen Außen, welche ein um das andere Mal sehr präzise in die lange Ecke einnetzten. Marburg hatte den Spielverlauf weitestgehend im Griff und bestimmte bis zur 15. Spielminute eigenhändig das Geschehen. Beim Spielstand von 9:4 erfolgte die erste Auszeit Nordecks. Es gab prinzipiell nur Kleinigkeiten zu verbessern bzw. genauere Absprachen zu treffen – der Rest lief gut. Auch wenn es nicht gelingen konnte, bereits zu diesem Zeitpunkt die Führung weiter auszubauen, boten beide Seiten in der ersten Halbzeit einen spannenden und anschaulichen Handball (10:6, 11:8, 12:9).
Mit einer Führung von drei Toren und dem Spielstand von 13:10 trennten sich die Mannschaften dann zur Halbzeit. Die Ansprache in der Kabine beinhaltete eine deutliche Warnung. Niemand der Anwesenden sollte auch nur ansatzweise davon ausgehen, dass diese Führung den Ausgang des Spiels vorbestimme, da sich drei Tore „zur Not“ auch in einer Minute werfen lassen. Dementsprechend müsse nochmal eine Schippe drauf gelegt werden.
Während man in anderen Partien dieser Saison gerne mal feststellen konnte, dass das Halbzeitgespräch in der Kabine anscheinend nicht stattgefunden haben muss, zeigten die Marburgerinnen in dieser zweiten Halbzeit eine taktische Umsetzung der Extraklasse. Während Marburgs Bank auf die defensive 6-0 der Gäste reagierte, setzten die zuständigen Spielerinnen eindrucksvoll ihre Schlagkraft auf der Platte unter Beweis. Es erfolgte, ausgehend von einem brandgefährlichen Rückraum, welcher in der zweiten Halbzeit immer die richtigen Entscheidungen traf, eine Demonstration der Gefährlichkeit der in Gelb auflaufenden Kreisläuferinnen. Während der Rückraum, wenn er nicht angegangen wurde erfolgreich abschloss, erfolgte im Umkehrschluss der „tödliche“ Pass an den freien Kreis sobald eine Abwehrspielerin herausrückte und gegen Halb oder Mitte anzugehen. Allein die Marburger Kreis-„Kampfsäue“ (positiv besetzt!), die von Haus aus noch einmal deutlich intensiveren Kontakt zur gegnerischen Abwehr pflegen, erzielten in diesem Spiel insgesamt 12 Treffer.
Wie „Handball made in Marburg“ aussehen kann, zeigte der Spielverlauf der ersten Viertelstunde der zweiten HZ. Ausgehend von einer sehr gut verschiebenden Abwehr, die stets hellwach auf Tempogegenstöße lauerte, wurde entweder über ein schnelles Umschaltspiel gepunktet oder strukturierte Angriffe mit sehr hohen Bewegungsanteilen aller Spielerinnen, führten zwangsweise zur freigespielten Mitstreiterin. Ebenso wenn einmal etwas nicht klappte, wurde die Ruhe gesucht und nach dem erneuten Durchspielen mit Druck in die Abwehr gestoßen, woraus immer eine Torchance entstand. Dementsprechend konnte Marburg 8(!) Tore in Folge erzielen (14:11, 22:11).
Das Verhindern von weiteren Gegentoren gelang unter anderem auch durch die notwendige Feinabstimmung gegenüber den gegnerischen Außen, die in der ersten Halbzeit sehr effektiv in die langen Ecken trafen, jedoch im voranschreitenden Spielverlauf keine weiteren Wurfvariationen boten. Somit konnte Steffi die darauffolgenden Würfe in die lange Ecke entschärfen. Generell sprechen nur 5 Gegentore in der zweiten HZ eine deutliche Sprache, hinsichtlich des löblichen Abwehrverhaltens.
Auch die letzte Viertelstunde agierte Marburg clever und konnte den Vorsprung noch einmal ausbauen. Verdienterweise konnte das Spiel dann mit 28:15 nach Hause geholt werden.
Letztlich bleibt festzuhalten, dass der Angriff endlich wieder wirkungsfähig aufgetreten ist und dadurch die klare Tordifferenz zu Stande kommen konnte. Wenn Marburg diese Leistungen weiter abrufen kann, sind auch die noch ausstehenden Spiele zu gewinnen. Wichtig ist, dass nach diesem Leistungshoch kein Tief bzw. ein Ausruhen auf dem guten Ergebnis erfolgt. Weiterhin zeigte sich, dass sorgenfrei gewechselt werden kann, da sich fast der gesamte Kader auf der Torschützenliste eingetragen hat bzw. jede Spielerin auf ihrem „Spezialgebiet“ einen einwandfreien Job tätigte. Nochmals muss daher betont werden, dass dem spielerischen Können Nordecks keineswegs Etwas abgesprochen werden kann, Marburg jedoch endlich einmal das eigene Leistungsvermögen über fast das gesamte Spiel eindrucksvoll unter Beweis stellte.
Bei aller sonstigen Kritik des Trainers, immer im Sinne einer noch nicht am Leistungslimit angekommenen Mannschaft, bleibt hier nur ein großes Lob für die erbrachten sechzig Minuten auszusprechen! Weiter so!
Für die HSG spielten: Stefanie Quent (16 Paraden), Anja Kraft (5), Patricia Klotz (4), Friedi Lieb (4), Kerstin Aumann (3), Malena Götte (3), Miriam Jäger (2), Kira Hanke (2), Jenny Madubuko (2), Jasmin Kramer (1), Nora Schilke (1), Imke Hogrefe (1), Johanna Schneider, Vanessa Kuhl.
Marc Hampel (Trainer Damen), HSG Marburg/Cappel
Bilder von Jojos Motivationsansprache: